Leseliste Martina
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- Veröffentlicht am Freitag, 25. Mai 2012 15:51
Brigitte Schimmerl, Lehrerin L. 2003.
Sie war Volksschul- und Sonderschullehrerin, eine Pädagogin, die gegen die Sturheit in der Schul-Hierarchie, aber auch gegen die unfassbare Eltern-Haltung ankämpfte. Sie erinnert sich, an ihre eigene Kindheit, Schulzeit, an ihre Angst, ihre Hemmungen. Sie will es besser machen. Will zuhören, Verständnis haben, loben nicht strafen. Sie stößt auf viele Grenzen. Die eigenen, die gesellschaftlichen, die politischen, schulpolitischen.
Ein Roman gestrickt aus unzähligen kleinen Episoden. Die Sprache knapp, nur kurz beschreibend, erläuternd. Die Geschichten aber berührend, traurig, beklemmend. Wir finden uns wieder in ihren Erinnerungen, als wären es eigene. Berührend, erhellend, natürlich einseitig - weil eben persönliche Erinnerungen, aber eben darum ehrlich und authentisch.
"In allen Schulen türmen sich Dramen. Liegen unter der kalten Decke der Konsequenz. Der beschworenen Gerechtigkeit. Schaffen angstklopfende Herzen. Und zornige, ohnmächtige Flüche. Ramponierte Startlöcher ins Leben."
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- Veröffentlicht am Montag, 21. Mai 2012 17:24
Ulla Hahn, Ein Mann im Haus, 1991.
Maria möchte Hansegon mal für sich alleine, sie möchte Stabilität, Liebe, Geborgenheit, Gemeinsamkeit. Hansegon aber liebt sein Doppelleben, ihn reizt die Gefahr, die Heimlichkeit und der intensive Sex mit Maria. Ihr kommt die Rolle der Untergebenen, der stets wartenden Geliebten zu. Irgendwann ist es Maria genug, sie nimmt Hansegon gefangen, fesselt ihn mit goldenen Schellen an ihr Bett, zahlt ihm all das Warten, die Demütigungen, die Unterdrückung heim.
Ein nettes Büchlein mit einigen unappetitlichen Szenen und einem leider schalen Ende. Die Gefühle die zunächst heraufbeschworen werden bleiben dann doch auf der Strecke. Die Geschichte entwickelt sich weder besonders erotisch, noch ist sie ausreichend grausam für den von Hahn aufgespannten Plot - da wäre sicherlich mehr zu machen gewesen.
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- Veröffentlicht am Sonntag, 13. Mai 2012 11:13
Thomas Hürlimann, Fräulein Stark, 2001.
Die Novelle erzählt von einem 12 jährigen Jungen der währen der Sommerferien in einer weltberühmten Bibliothek nicht nur vieles über sich und seine jüdische Herkunft erfährt, sondern auch seine Sexualität und die Frauen mit ihren unterschiedlichen Düften entdeckt. Fräulein Stark, eine resolute und sittlich einwandfreie Person, leitet den jungen Neffen durch diesen Sommer der Entdeckungen und der Selbstfindung. Eine Novelle mit Witz und Liebe zum Detail.
"Nein, ihr armen Schreiber, der letzte Tag wird euch nicht als Sieger finden, nicht einmal als Kämpfer, sachte ich, [...]."
Link zu einer schönen Buchbeschreibung
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- Veröffentlicht am Dienstag, 15. Mai 2012 11:39
Birgit Vanderbeke, Das lässt sich ändern, 2011.
Die einen sind drinnen und die anderen draußen. Ein fröhlicher Roman über das Aussteigen oder schon immer draußen sein. Adam Czupek ist ein Macher, ein Arbeiter, er baut alles, sammelt alles, findet für alles einen gangbaren Weg. Seine Frau, die namenlose Ich-Erzählerin kann mit den Händen nichts. Sie kommt von Drinnen und steigt mit der Beziehung zu Adam, den gemeinsamen Kindern und dem Umzug nach Ilmstedt aus. Vieles erinnert an die eigene Familie, man kann Adam verstehen - seinen Drang etwas mit den eigenen Händen zu schaffen. Eine Aussteigeridylle, einfach gestrickt, voller Klischees aber sympatisch.
"Wenn die Autorin hier die dörfliche Einfachheit und das gelebte "Multikulti-Glück" mit der "grundguten, voll integrierten Nachbarsfamilie Özyilmaz" beschreibt, erscheint das der Kritikerin allzu parabelhaft - auch wenn sie die fröhliche Trotzigkeit, mit der das selbstbestimmte Landleben propagiert wird, durchaus "ansteckend" findet." Frankfurter Rundschau
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- Veröffentlicht am Dienstag, 08. Mai 2012 16:28
Joseph Zoderer, Die Farben der Grausamkeit, 2011.
Richard ist verheiratet, hat zwei Kinder, und - er ist verliebt - schon auch in seine Frau - aber nicht nur. Eine innige, romantisch übertriebene Liebe verbindet ihn mit Ursula. Er ist vernarrt in diese Frau, verbringt viel gestohlene Zeit mit ihr, und als sie sich in einen anderen verliebt und ihn verlässt, wird seine Vernarrtheit nur noch größer. Immer mehr distanziert er sich von seiner Familie und ist in Gedanken weit weg von dem kuscheligen Zuhause das sich Richard und seine Frau, weit ab vom Stadtgetümmel, geschaffen haben. Es zieht in fort, und auf einer seiner beruflichen Reisen trifft er seine Ursula wieder. Alles beginnt von vorne...
Zoderer setzt sich ausführlich mit der Perspektive des betrügerischen Ehemanns auseinander. Fühlt sich ein in seine Gewissenskonflikte, in sein Hadern mit den Entscheidungen die er trifft. Trotz der Grausamkeit des Protagonisten kann die Leserin Sympatien für diesen entwickeln. Der Schreibstil ist knapp, gewöhungsbedürftig sind die poetischen "Traumeinschübe", die manchmal etwas gefühlsduselig daherkommen. Im großen und ganzen ein leicht lesbares Buch, nicht zu hastig geschrieben, mit treffenden Bildern und einem traurig - beinahe überraschenden Ende.