Leseliste Martina
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- Veröffentlicht am Sonntag, 08. Juli 2012 13:59
Andrea Grill, Das Schöne und das Notwendige, 2010.
Die junge Ischler Autorin erschafft mit diesem Roman ein modernes Märchen. "Fiat und Finzens stecken in der Klemme. Sie brauchen dringend Geld. Viel Geld. Finzenz hat auch eine Idee, doch was er vorschlägt erscheint seinem Freund als der reine Wahnsinn. Dann baer entflammen beide Männer gleichermaßen für das ominöse Vorhaben. Eine Schleichkatze muss her..." (Klappentext).
Der Text ist dialogreich, voller Situationskomik und gespickt mit so manchen magischen Vorkommnissen. Ein Märchen über das Leben zweier Männer und wie es sich im Zusammenleben mit dem "Wilden" verändert. Es braucht seine Zeit, bis die Leserin verstanden hat, dass es sich um ein Märchen handelt, dass nicht die Realität, wie wir sie erwarten würden, beschrieben sein will. Wird wohl nicht mein Lieblingsroman werden.
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- Veröffentlicht am Sonntag, 08. Juli 2012 13:44
Franz Hohler, Der Stein, Erzählungen, 2011.
Manchmal ist das, was uns als Zufall erscheint, voller Zwangsläufigkeit. Im Rückblick betrachtet, zumindest. Oder auch umgekehrt kann das, was wir für Notwendigkeit halten, in Wahrheit nichts als Zufall sein. Enorm unterhaltsam und mit dem ihm eigenen Sinn für das, was sich unserem Alltag nicht fügen will, kreisen Franz Hohlers Erzählungen um das, womit niemand rechnet, das aber umso zielstrebiger geschieht.
Franz Hohler wurde 1943 in Biel, Schweiz, geboren, er lebt heute in Zürich und gilt als einer der bedeutendsten Erzähler seines Landes.
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- Veröffentlicht am Mittwoch, 13. Juni 2012 17:39
Reymer Klüver, Allein unter Doppel-Whoppern, 2010.
Rymer Klüver, Auslandskorrespondent der Süddeutschen Zeitung, verbringt ein Jahr mit seiner Familie in Amerika. Er beginnt mit der Landung in Washington und der unglaublichen Hitze die ihn und seine Familie dort überrascht - sie hatten nicht damit gerechnet - Washington liegt auf der Höhe von Gibraltar - das haben sie übersehen. Distanziert und mit leider wenig Witz geht die Geschichte weiter. Nicht sehr viel erfahren wir über den Autor und seine Familie, ihre Gefühle, Probleme oder Freudenmomente in diesem Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Die einzelnen Erzählungen der Episoden aus dem klüverschen Familienleben bleiben trocken und leblos. Fazit: sachlich interessant, literarisch keine Wonne.
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- Veröffentlicht am Freitag, 22. Juni 2012 07:10
Thomas Hürlimann, Dämmerschoppen, 2009.
Eine Sammlung von Geschichten und Novellen von Hürlimann. "Eine Serviertochter geht mit der Titanic unter, Thomas Bernhard und Rolf Hochhuth gründen ein Holztheater, im ersten Fernsehapparat der Familie sieht man den Papst und im letzten des Autors ein US-Geschoss in Bagdad. Der in Berlin lebende Schweizer Autor erzählt unglaubliche Geschichten ebenso kunstvoll wie wahrscheinliche. Er berichtet von dem, was Menschen zustoßen kann und davon, wie sie sich manchmal aus den Fallstricken wieder befreien. Geschichten aus fast 30 Jahren sind in diesem schönen Band zusammengefasst." Manche Geschichten sind einfach zum Zweimallesen, schon wegen der wunderschönen Sprache.
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- Veröffentlicht am Donnerstag, 07. Juni 2012 10:15
Jón Kalmann Stefánsson, Das Knistern in den Sternen, 2005.
Eine wundervolle, poetische Geschichte über vier Generationen einer Familie. »Eine fremde Frau kommt aus Vaters Schlafzimmer...« Der kleine Junge, der erst vor kurzem seine Mutter verloren hat, muss ein neues Wort lernen: Stiefmutter. »Jetzt bist du erledigt«, sagen seine Spielkameraden, und weil Vater meist mit seinem Trabant und seiner Maurerkelle zu Baustellen unterwegs ist, flüchtet sich der Junge mit seinen Zinnsoldaten in eine märchenhafte Welt: Ganze Armeen helfen ihm, seine Einsamkeit niederzuringen. Zuwendung erfährt er von der Großmutter, die ihm abenteuerliche Geschichten von ihren Eltern erzählt. Von seinem abenteuerlustigen Urgroßvater, und seiner Urgroßmutter mit den Kindern. Jahre später schreibt der Ich-Erzähler diese Geschichten nieder, er besucht noch einmal die Orte seiner Kindheit, begibt sie auf die Spuren seiner Familiengeschichte.
Es geht um Liebe, um die Verirrungen des Herzens, über Lebensentwürfe, um Vernunft und Unvernunft, Alkohol und die Schönheit und Einsamkeit Islands, um die Zeit und ihre Vergänglichkeit, um das Leben und seine Endlichkeit. Ein sehr vielschichtiger Roman, in dem nicht viel passiert doch vieles angsprochen wird. Existentielle Fragen werden aufgeworfen ohne in Klischees zu verfallen.
"Und das ist alles, was von sechs, nein, sieben Leben geblieben ist, wenn wir den rothaarigen Seemann mitzählen; alles, von hunderfünfzig Jahren, von Mond und Sternen, zwei Weltkriegen, Pferdekarren, Raumflügen. Sieben Leben, hundertundfünzig Jahre. [...] und alles, was davon übrig ist, ist die Vesturgata, ein leeres Giebelfenster und eine alte Tante, die alles vergessen hat, sogar ihren eigenen Namen." Ein wunderschönes Buch - zum mehrmals lesen.